Moderierte Gruppengespräche

Definition der Weiterbildungserfordernisse in einer moderierten Gruppensitzung

Bedarf wird als Lücke zwischen der jetzigen und der gewünschten Situation definiert. Der Weiterbildungsbedarf kann individuell verschieden oder für alle gleich sein. Ein gemeinsamer Bedarf aller Mitarbeiter ist der kleinste gemeinsame Nenner ihrer individuellen Bedürfnisse. Basierend auf ihm werden die zukünftigen Weiterbildungsmaßnahmen geplant. Je homogener eine Gruppe ist, desto einfacher wird es sein, den gemeinsamen Bedarf herauszufinden.

Es gibt verschiedene Arten von Weiterbildungserfordernissen: normative (- von hochrangigen Mitgliedern anerkannter Berufsverbände oder Forschungszentren, die Wissenschaft und Technologie kontinuierlich weiterentwickeln und sich daher in der Lage sehen, den Bedarf an neuesten Fähigkeiten und Fertigkeiten je nach ihren Forschungsergebnissen festzulegen), organisationsspezifische (- in Zusammenhang mit der Rolle der Organisation), durch Vergleich aufgezeigte (- als Defizit durch Vergleich wahrgenommen), offensichtliche (- resultierend aus dem Ungleichgewicht zwischen den Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer besitzt und solchen, die er lt. Expertenmeinung haben sollte) und empfundene ( - resultierend aus der selbst empfundenen Diskrepanz zwischen den Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer zu besitzen glaubt und solchen, die er gerne hätte). Die Arbeitnehmer legen zuerst ihre Weiterbildungserfordernisse nach ausgiebiger Reflexion basierend auf ihren bisherigen Berufserfahrungen fest. Im Gruppengespräch werden dann die Weiterbildungserfordernisse vom Standpunkt aller Arbeitnehmer aus definiert. Das Gruppengespräch wird von einem betriebsinternen Moderator geleitet, der nicht Dienstvorgesetzter ist.

Zweck einer Weiterbildungsbedarfsanalyse ist es, die Lücke zwischen der tatsächlichen und der erwünschten Situation zu schließen, indem Defizite festgestellt, nach Priorität gereiht und ausgewählt werden, um sie zu beheben.

Eine Weiterbildungsbedarfsanalyse kann folgende Analyseformen umfassen:

  • Organisationsanalyse;
  • Analyse des Arbeitsumfeldes;
  • Jobanalyse;
  • Tätigkeitsanalyse;
  • Analyse der Fähigkeiten und Fertigkeiten;
  • inhaltliche Analyse;
  • Sekundärdatenanalyse;
  • Personalevaluierung;
  • Analyse kritischer Ereignisse;
  • Analyse der Weiterbildungserfordernisse nach eigener Einschätzung;
  • Lernendenanalyse;
  • (schlussendlich) Verbindung unterschiedlicher Analyseformen.


Das folgende Design ist speziell für eine Gruppe von un- und angelernten Mitarbeitern geeignet. Sind Mitarbeiter wenig geübt in der Gruppe zu sprechen, muss dies bei der Vorbereitung der Gruppendiskussion berücksichtigt werden. In diesem Fall kommen Methoden zum Einsatz, die gezielt die Mitarbeit auch von zurückhaltenden Gruppenmitgliedern anregen, z. B. Kleingruppenarbeit und Fragebögen.

Einen Überblick über das Vorgehen zeigt folgendes Schema:

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Einführung in das Gruppengespräch: Erläuterung der Ziele
Die Mitarbeiter werden zu Beginn des insgesamt 1,5-stündigen Gruppengesprächs ausführlich in das Thema eingeführt, über die Ziele der Bedarfsermittlung informiert. Auch auf die anschließende Möglichkeit zu einem Einzelgespräch mit dem Vorgesetzten, wird zu Beginn hingewiesen. Die Teilnehmer werden auch über den weiteren Umgang mit den Ergebnissen der Bedarfsermittlung informiert. Sie erfahren beispielsweise, dass es darum geht, Weiterbildungsbausteine zu entwickeln. Da die Mitarbeiter im Gespräch jeden Qualifizierungsbedarf äußern können, ist es wichtig, dass der Moderator darauf hinweist, dass etwa aus inhaltlichstrategischen, organisatorischen oder aus Kostengründen nicht jeder geäußerte Qualifizierungswunsch erfüllt werden kann und dass die konkreten Qualifizierungsmaßnahmen erst im Einzelgespräch vereinbart werden.
In den moderierten Gruppengesprächen taucht in der Regel die Frage auf, ob die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zu höheren Löhnen führt. Um falschen Erwartungen zu begegnen, wäre deshalb der Unterschied zwischen einer entlohnungsrelevanten Höherqualifizierung und einer entlohnungsneutralen Anpassungsqualifizierung zu erläutern. Eine Anpassungsqualifizierung passt das Wissen und Können der Mitarbeiter dem technologischen und organisatorischen Wandel an und hat in der Regel keine Auswirkungen auf den Lohn.

Teil 1 der Bedarfsermittlung: Kleingruppenarbeit anhand einer offenen Leitfrage
Zu Beginn dieses Hauptteils stellt der Moderator der Gruppe folgende Leitfrage: "Gibt es Qualifizierungen, die Ihnen Ihre Arbeit erleichtern würden?" Um Missverständnissen vorzubeugen wird erklärt, dass unter Qualifizierung jede Form der Wissensaneignung und des Know-how-Erwerbs zu verstehen ist, also beispielsweise Anlernen am Arbeitsplatz oder die Teilnahme an Workshops und Seminaren. Die Teilnehmer finden sich in Kleingruppen von zwei bis vier Personen zusammen, diskutieren die Leitfrage und stellen nach etwa zehn Minuten ihre Ergebnisse vor.
Ziel dieses Teilschritts ist eine vorläufige Qualifizierungsbedarfserhebung direkt aus dem jeweiligen Arbeitsbereich, ohne vorherige Beeinflussung. Auf diese Weise werden die Teilnehmer aktiviert, und es ergeben sich erste Diskussionen.

Teil 2 der Bedarfsermittlung: Vertiefung von Einzelaspekten
Häufig gibt es seitens des Unternehmens Bereiche, in denen ein grundsätzlicher Qualifizierungsbedarf vermutet wird. Für die Qualifizierungsplanung ist es wichtig, wie die Mitarbeiter selbst ihren Qualifizierungsbedarf beurteilen. Aus diesem Grund werden die Gruppenmitglieder mit Hilfe von drei Fragebögen befragt, ob sie persönlich in diesen, vom Unternehmen ausgewählten Bereichen, einen Qualifizierungsbedarf sehen.
Die Fragebögen sind in der Vorbereitung des Gruppengesprächs gemeinsam mit den unmittelbaren Vorgesetzten zu erstellen. Diese verfügen meist über die größten Kenntnisse bezogen auf die speziellen Anforderungen an den einzelnen Arbeitsplätzen. Die Fragebögen sollten so formuliert sein, dass sie für alle Mitarbeiter gut und möglichst eindeutig verständlich sind. Der erste Fragebogen erfasst allgemeine fachliche Kompetenzen innerhalb eines Arbeitsbereiches, der zweite orientiert sich an den einzelnen Fertigungsschritten und der dritte umfasst verschiedene Dimensionen sozialkommunikativer Kompetenzen.
Jeder Mitarbeiter erhält die Fragebögen nacheinander und kreuzt zu jedem Einzelpunkt eine der angebotenen Auswahlmöglichkeiten an. Die Ergebnisse werden nach jedem Bogen gemeinsam diskutiert und der Qualifizierungsbedarf auf dem Flip-Chart festgehalten. Zur weiteren Auswertung werden die Fragebögen eingesammelt. Da das Gruppengespräch dazu dient, einen Gesamtbedarf zu erfassen, müssen die ausgefüllten Bögen nicht einzelnen Personen zuzuordnen sein.

Abschluss des Gruppengesprächs

Nach dem Einsammeln wird die Gruppe gefragt, ob noch ein weiterer Qualifizierungsbedarf besteht, der bisher weder geäußert noch in den Fragebögen aufgelistet wurde. Zusätzlicher Bedarf wird auf dem Flipchart ergänzt. Die Teilnehmer ordnen nun per Punktabfrage alle auf dem Flip-Chart gesammelten Bedarfselemente entsprechend ihrer Dringlichkeit. Zum Abschluss des Gesprächs wird die Gruppe gefragt, ob das entstandene Bild für sie "stimmt", ob Änderungen oder Ergänzungen notwendig sind und ob es noch offene Fragen gibt.
Den Teilnehmern wird schließlich das weitere Vorgehen, nämlich die Vereinbarung von Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelgespräch, erläutert: Wer für sich selbst einen Qualifizierungsbedarf sieht, hat die Möglichkeit, sich in eine Liste einzutragen.

Verabredung von Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelgespräch
Nicht nur die Mitarbeiter können sich zu einem Einzel-Qualifizierungsgespräch mit ihrem Vorgesetzten anmelden; auch der Vorgesetzte hat die Möglichkeit, um ein Gespräch zu bitten. Dies ist dann sinnvoll, wenn der Vorgesetzte einen Qualifizierungsbedarf vermutet und der Mitarbeiter nicht von sich aus die Initiative ergreift. Jedoch gilt auch hier: Es ist nicht möglich, jemanden gegen seinen Willen zu qualifizieren, die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen ist daher freiwillig. Durch das vorgeschaltete Gruppengespräch sind alle Mitarbeiter in das Thema einbezogen. Zeitaufwändige Einzelgespräche werden nur dann geführt, wenn tatsächlich ein Bedarf vorliegt.
Im Einzelgespräch werden konkrete Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart. Als Hintergrund dient der im Gruppengespräch ermittelte Qualifizierungsbedarf.

Bewertung des Vorgehens

Das Unternehmen verfügt nach der Auswertung der Fragebögen und dem auf Flip-Charts gesammelten Qualifizierungsbedarf über einen Gesamtüberblick über den Qualifizierungsbedarf einer Gruppe. Auf Grundlage dieser Daten können - kombiniert mit den Inputs der Führungskräfte aus der Produktion sowie den Ergebnissen der Einzelgespräche – Weiterbildungsbausteine oder andere Formen der Wissens- und Know-how-Aneignung für die Mitarbeiter der jeweiligen Arbeitsbereiche entwickelt werden. Auf dieser Basis lässt sich ein Qualifizierungsplan erstellen.